Als Katrin und Dirk die Arbeiten von Carolin Oel bei ihrer Diplomausstellung an der Münchner Akademie sahen, wussten sie gleich: „Die wollen wir haben.“ So kam es zu einer Ausstellung von Zeichnungen im Troadkasten der art-lodge - und zum Ankauf einiger Arbeiten. Die Künstlerin Andrea Faciu, Teilnehmerin der Venedig Biennale 2009, stellt sie vor. Die Arbeit von C.C. Oel ist seltsam. Sie ist von einem ausgeprägten Genius getragen, der keine Differenzierung kennt zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Fläche, Form und Inhalt, bei der aus zwei Dimensionen urplötzlich und überraschend multiple Dimensionen werden. Ihre malerische Intuition wirkt geradezu programmatisch. Linie und Farbauftrag erscheinen wie aus der Hand eines altklugen Kindes, vorausschauend und tollkühn zugleich.
„Ich mag gern kompakte Objekte in annähernd runder Form - simpel, klein, aber an und in sich doch komplex.“ Das wäre ihr aufgefallen, lässt die junge Malerin und Absolventin der AdbK in München (Diplom Jan. 2015) in einem Gespräch verlauten, aus dem das Selbstverständnis einer bereits langjährigen Auseinandersetzung mit der Malerei als Materie, als Fleischwerdung - und damit ist nicht Verkörperung gemeint - hörbar wird. Fleischwerdung in einer Manier, die nur die wenigsten Maler und Zeichner einer jeglichen Stilrichtung beherrschen und die die Fähigkeit besitzt, höchst widersprüchliche Eindrücke zu hinterlassen und Emotionen hervorzurufen.
Zuallererst aber sprechen ihre Arbeiten, meist Ölbilder und Zeichnungen, unmittelbar den Kopf des Betrachters / der Betrachterin an. Eine harsche Direktheit tritt zutage, die sensibel abgefangen und abgemildert wird, noch bevor sie zum Schlag ausholt. Für Traurigkeit und Verstörung bleibt einem keine Zeit, da man damit beschäftigt ist herauszufinden, wo das Geheimnis dieses „Werkelns“ verborgen liegt. Meist ertappt man sich dabei, Freude zu empfinden über das so gekonnt platzierte Versteck innerhalb ihrer Bilderwelten, dem man nicht auf die Spur kommt. C.C. Oels Kompositionen scheinen eigenen Regeln zu folgen und fordern die Wahrnehmung und die ästhetische Konditionierung des/der Kunst-Sehenden heraus. Es sind nicht Kompositionen im altbekannten und -bewährten Sinne, sondern vielmehr Konfigurationen an der Schnittstelle zwischen Körperlichkeit und Geist, als eine Art ewiger Momentaufnahmen, aus denen sie ihre Malerei des Elans heraus schöpft. Malen und Zeichnen sind dabei Akut-Zustand. Das Prozessuale hingegen, das „Werkeln“, das sich in C. C. Öls Arbeit vollzieht, äußert sich wiederum in ihrem Beharren auf Formen, an denen sie festhält, und dem wiederkehrenden Interesse an Halbtierischem, Halbmenschlichem.
„Ich reiße Tiere aus“ - und tatsächlich begegnet man Wesen, die nicht ausformuliert werden, auch nicht angedeutet, sondern aus der Farbe und dem Strich heraus zum Leben erweckt werden und mit ihren tierisch-menschlichen Gliedmaßen zucken. Sind das etwa Fabelwesen? Bei der Entstehung eines Bildes ist die Künstlerin an Form als Ausgangspunkt interessiert. „Dann wieder loslassen - Bild drehen - wieder ansehen - von welcher Seite kann es weiteres Interesse erwecken. Es wird herausgearbeitet - dann doch zu flach, zu einfach - womöglich falsch - es wird wieder gedreht. Gutes wird wieder verworfen, weil es nicht passt. Manches haut man auf die Leinwand, dann passt es einfach - war das nun ein zu einfacher Prozess?“ - so gibt uns die Künstlerin einen Einblick in ihre Arbeit.
Eines ihrer Bilder hat sie dreißigmal übermalt. Dreißig Bilder in einem. Bescheiden und meisterhaft erscheint ihre Pinsel- und Linienführung, die mit äußerst wenig und einer Bewegung alles vermag. Genauso die bewusst eingesetzte Farbtonalität ihrer bevorzugten Palette, bestehend aus wenigen puren Farben und einer Bandbreite an direkt gemischten, im Wechselspiel wärmeren und kälteren Farbnuancen und Grautönen, die mal opak, mal transparent als Lasuren und stets lapidar aufgetragen werden.
Übermalungen und Transparenzen wirken schnitt- und ausschnitthaft. „Nicht so diffus sein bitte… ein Objekt und fertig.“, nimmt sich die Malerin vor. Die Tiefenwirkung wird nicht simuliert und vorweggenommen, sondern durch das Zusammenspiel der Bildelemente unmittelbar vom sehenden Gehirn erzeugt.
Fragmentarische Körper, Antlitze und Vegetationen, die des Öfteren abrupt ineinandergreifen, erklären die Suche der Künstlerin nach „…Irgendetwas, was mich an etwas erinnert, das ich aber noch nicht so gesehen habe“. Und machen deutlich, dass es sich nicht um Fabelwesen handelt. Es handelt sich auch nicht um die Auflösung des Formalen und Figurativen zugunsten der Abstraktion. Sondern schlicht um eine frische, selbst konfigurierte Sicht- und Arbeitsweise und damit um eine ganz eigene malerische Handschrift.
Für ihren Elan bei der Auslotung malerischer Prozesse verdienen Carolin Cosima Oels Werke bereits jetzt eine Museumswand.